Andacht zum 2. Advent Lasst uns froh und munter sein – dann halt in Moll

 

Andacht im Musikalischen Gottesdienst, Schmorkau
Pfarrer Porsch

Lasst uns froh und munter sein und der Ernst der Lage
Lasst uns froh und munter sein.
Und uns recht von Herzen freun.

Lustig, lustig trallalala… la.

So recht scheint mir das nicht in die Zeit zu passen. Unbeschwertheit ist nicht gerade das, was sich hinter Maske und Abstand zügellos entfaltet. Die Lage ist ernst. Viele Menschen sind schwer erkrankt. Mitarbeiter im Gesundheitswesen sind über ihre Grenzen hinaus unter Druck. Lasst uns vernünftig sein. Nicht über die Strenge schlagen. Regeln einhalten. Den Preis bedenken, den Unachtsamkeit für uns und andere bedeuten kann.

Und doch, wenn die Kinder voller Vorfreude ihre Schuhe putzen sind in diesem Moment alle Nöte der Zeit weit weg. Begeistert malen sie sich aus, was der Nikolaus alles bringen könnte. Lieber die großen Stiefel ganz nach vorne gestellt, statt der Halbschuhe, die nur halb soviel Süßigkeiten fassen. Ich beobachte und genieße die Vorfreude der Kinder. Ein wenig Wehmut habe ich auch im Blick. So wie sie werde ich den Nikolaustag nie mehr herbeisehnen können. Denn ich weiß zu viel.
Oder mag es doch einen Weg zurück geben? In die mystische Welt der Kindheit? Werden wie die Kinder? Trägt das nicht die Verheißung des Himmelreiches?
Was hindert mich, die Schuhe zu putzen und den Teller rauszustellen?

Hören von „Lasst uns froh und munter sein“ mit Ivan Rebroff

Manchmal ist der Teller leer
Manchmal aber ist der Teller leer. Und alle Freude, aller Gaudi kann das nicht mehr kaschieren. Manche Leere verschluckt jedes Lachen. Und manche Not macht mich sprachlos. Im Evangelium des zweiten Adventsonntages schreibt Lukas:

Wenn an Sonne Mond und Sternen Zeichen geschehen werden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen, vor dem Brausen und Wogen des Meeres, und die Menschen werden vergehen vor Furcht in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde, wenn die Kräfte des Himmels ins Wanken kommen.

Es ist nicht leicht
nicht zu verzweifeln, wenn um uns alles Vertraute ins Wanken gerät. Im Lied schafft es das lyrische ich mit Pragmatismus, die Leere des Tellers zu ertragen. Leer ist leer. Daran lässt sich nichts machen. Aber das muss ja nicht alle Zeit so bleiben. Und vielleicht ist beim nächsten Mal ja auch für mich was dabei. Lasst uns froh und munter sein. Auch wenn wir es nicht in Dur, sondern in Moll singen müssen. Lasst uns froh und munter sein. Selbst wenn nicht viel da ist zum freuen, gibt es doch vieles, auf das wir uns freuen können. Vielleicht auch Ausdruck russischer Lebenskunst.

Erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht
Ich will mir diese Leichtigkeit in Moll zu eigen machen.
Das Schlechte nicht ignorieren. Aber es mich auch nicht niederdrücken lassen. Nicht im Angesicht der Nöte erstarren und verzagen. Sondern
das in den Blick nehmen,
was mir Hoffnung gibt, was mich handlungsfähig macht. Lukas, der Evangelist, hört nicht auf bei den Schrecken einer Welt, die aus den Fugen gerät. Er schreibt weiter:

Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter,
weil sich eure Erlösung naht.

In allen Nöten haben wir doch Grund zur Hoffnung. Wir haben allen Grund anzunehmen, dass all unsere Bemühungen nicht umsonst sein werden. Denn Gott ist Herr der Welt. Und er hat uns im Blick. Er kommt zu uns; Nimmt Anteil an unserem Leben und Sterben. Er ist stärker als der Tod. Kein Übel kann ihm widerstehen. Und dann sehe ich, was uns Gott alles mit auf den Weg gegeben hat: Einen Verstand, der in der Lage ist, Probleme zu ergründen, Strategien zu entwickeln, Impfstoffe zu ersinnen. Ich wäre ein Narr, würde ich die Gaben, die Gott uns geschenkt hat, nicht nutzen. Und das will ich mit Zuversicht tun, und manchmal auch mit Übermut, weil sich meine Erlösung naht. Weil in Gottes Gegenwart auch das imposanteste Problem relativiert wird. Lasst uns froh und munter sein. Und wenn die Situation es erfordert, dann halt mit Maske und 3 oder 2G-Regeln. Wenn uns ehrlicher ist, dann halt in Moll. Lasst uns froh und munter sein.

Lasst uns froh und munter sein
Ein Mann, 82 Jahre, krabbelt über den Boden. Hin und her, unter dem Tisch durch,
auch wenn es etwas eng ist. auch wenn die Knie bedenkliche Geräusche von sich geben. Diesen alten Mann auf allen Vieren würde man wohl für verrückt halten, wenn nicht direkt vor ihm ein kicherndes, reichlich einjähriges Kleinkind krabbeln würde. So stehe ich als Betrachter davor, freue mich über die Unbeschwertheit, mit der der alte Mann seinem Enkelkind hinterher krabbelt. Was die Lebensfreude kleiner Kinder mit alten Leuten anstellen kann? Im Blick der Mutter des Kleinkindes, seine Tochter steht gleichermaßen Glück und Sorge: Opa, denk an deine Gicht. Aber Gelenkbeschwerden halten ihn nicht auf. Für diesen Moment des Übermutes. Diesen himmlischen Moment, diesen Vorgeschmack. Nachher dann wird er sich ächzend aufrichten. Und den schmerzenden Glieder Tribut zollen, im Sessel wieder der alte, vom Leben gezeichnete Mann sein. Aber das war es wert. Lasst uns froh und munter sein. Weil sich unsere Erlösung naht.

Amen.

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