„Es ist eigentlich seltsam: Unser Leben besteht in einem ständigen Reden. Aber kaum je kommen die Gedanken über unsere Lippen, um die es sich wirklich lohnt. Kaum je geschieht es, dass einer sagt: Lass uns von dem reden, was mit unserem Menschenschicksal auf dieser Erde wirklich gemeint ist, was das ist, was wir Gott nennen! Was wir selbst von uns für ein Bild haben. Wofür wir wirklich dankbar sind. Was wir wahrhaft lieben. Was der Grund ist, auf dem wir stehen, abgesehen von allem, was uns misslingt und was uns danebengeht. Was das Wichtigste ist zwischen uns. Es sind die wunderseltenen Augenblicke.
Aber im Grunde sind dies die eigentlichen Lichtpunkte in unserer Lebenszeit. Die festlichen Augenblicke. Die Augenblicke, um die es sich lohnt, dass sie gelebt werden. Und sie sind wichtig und schön, auch wenn dabei eine tiefe Traurigkeit nach oben kommen sollte, eine zitternde Angst oder eine lähmende Ratlosigkeit. Sie sind die Augenblicke, in denen zwischen Menschen wirklich etwas geschieht.
Wenn aber jemand anfängt, beim Namen zu nennen, was für ihn wichtig ist, dann spricht man unter Christen von einem Bekenntnis. Wenn jemand die Türen und Fenster seiner Seele aufstößt und den Augen eines anderen zu sehen erlaubt, was wirklich in ihm ist, hinter allen Masken und Fassaden, dann spricht man unter Christen davon, er „offenbare“ sich. Unter Christen gelten solche Bekenntnisse und Offenbarungen als lebensnotwendig. Sie können ein Zeichen dafür sein, dass ein Mensch mit sich selbst ins Reine kommen will, mit den anderen und mit dem Dasein, in dem er steht.
Und so gehört es auch zu den festlichen Augenblicken, wenn in einem Gottesdienst eine versammelte Gemeinde aufsteht und gemeinsam aussagt, wovon sie lebt, was sie glaubt, worauf sie hofft, wofür sie dankt und was sie zu tun gedenkt.
(Jörg Zink, 1922-2016, deutscher evangelischer Theologe, Pfarrer und Publizist)