Impuls 22.04.2020 Wer bin ich

Wer bin ich

Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich träte aus meiner Zelle
gelassen und heiter und fest,
wie ein Gutsherr aus seinem Schloß.
Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich spräche mit meinen Bewachern
frei und freundlich und klar,
als hätte ich zu gebieten. 

Wer bin ich? Sie sagen mir auch,
ich trüge die Tage des Unglücks
gleichmütig lächelnd und stolz,
wie einer, der Siegen gewohnt ist.

Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen?
Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß?
Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig,
ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle,
hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen,
dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe,
zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung,
umgetrieben vom Warten auf große Dinge,
ohnmächtig bangend um Freunde in endloser Ferne,
müde und leer zum Beten, zum Denken, zum Schaffen,
matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen?

Wer bin ich? Der oder jener?
Bin ich denn heute dieser und morgen ein andrer?
Bin ich beides zugleich? Vor Menschen ein Heuchler
Und vor mir selbst ein verächtlich wehleidiger Schwächling?
Oder gleicht, was in mir noch ist, dem geschlagenen Heer,
das in Unordnung weicht vor schon gewonnenem Sieg?
Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott.
Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!

Dieses Gedicht hat Dietrich Bonhoeffer im Gefängnis geschrieben,
kurz bevor er am 9. April 1945 von den Nationalsozialisten ermordet wurde.
(aus: Dietrich Bonhoeffer. Widerstand und Ergebung)

Glaubenskurs Neuer Termin

Flyer Glaubenskurs

Der Glaubenskurs musste durch Corona nun leider schon mehrfach verschoben werden. Ich wage trotzdem mit den Interessierten einen neuen Anlauf im neuen Jahr. Wer noch Lust hat dazu zu stoßen, ist ganz herzlich willkommen.
Edit: Das erste Treffen am 21.01.2021 um 19.30 Uhr soll über Zoom Online stattfinden. Dort können alle Interessierten sich mit mir gemeinsam verständigen, wie wir planen wollen und ob wir den Kurs online beginnen möchten. Bei Interresse sende ich den Einladungslink gerne per Mail (Mailadresse siehe unten).

Vielleicht tragen Sie sich mit dem Gedanken, sich taufen zu lassen, oder Sie möchten einfach mehr über den christlichen Glauben erfahren. Dann ist der Glaubenskurs für Erwachsene eine gute Möglichkeit. Insgesamt 8 Termine sind geplant. Das erste Treffen ist am Donnerstag den 21.01.2021 um 19.30 Uhr im Kirchgemeindehaus in Schwepnitz. Die weiteren Termine werden dann gemeinsam vereinbart.

Melden Sie sich gerne bei Interesse bei mir an (035797/70721; Email: friedrichporsch@posteo.de). 

Ihr Pfarrer Porsch

 

Neuer Termin für den ersten Abend: 21. Januar 2021, 19.30 Uhr

Ort: Gemeindezentrum Pfarrgasse 8, Schwepnitz

Impuls 20.04.2020 Der Zweifler

Der Ungläubige Thomas,
1603, Michelangelo Merisi da Caravaggio.

 

Der Ungläubige Thomas – er passt in unsere Zeit. Er hinterfragt, prüft und steht vor einem Rätsel.
Mich verbindet viel mit diesem Zweifler Thomas. Was mich hoffnungsvoll macht: Jesus verstößt den Zweifler nicht, sondern kommt ihm entgegen und die Begegnung mit Jesus überzeugt ihn. Dem Thomas bleibt dabei die Auferstehung ein unerklärlichen Rätsel, und doch wird gerade der Zweifler Thomas, durch seine Skepsis, ein glaubwürdiger Zeuge der Auferstehung Jesu Christi.

Joh 20, 24-31 (Lutherübersetzung 2017)
Thomas aber, einer der Zwölf, der Zwilling genannt wird, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Da sagten die andern Jünger zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er aber sprach zu ihnen: Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und lege meinen Finger in die Nägelmale und lege meine Hand in seine Seite, kann ich’s nicht glauben. Und nach acht Tagen waren seine Jünger abermals drinnen, und Thomas war bei ihnen. Kommt Jesus, als die Türen verschlossen waren, und tritt mitten unter sie und spricht: Friede sei mit euch! Danach spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein Herr und mein Gott! Spricht Jesus zu ihm: Weil du mich gesehen hast, darum glaubst du? Selig sind, die nicht sehen und doch glauben! Noch viele andere Zeichen tat Jesus vor seinen Jüngern, die nicht geschrieben sind in diesem Buch. Diese aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr, weil ihr glaubt, das Leben habt in seinem Namen.

Impulse 18.04.2020 Am Grunde des Bechers wartet Gott

Heute, am 18.04. jährt sich der Todestag des Physikers Albert Einstein (1879-1955). Seine Erkenntnissen haben nachhaltig die heutige Sicht auf die Dinge dieser Schöpfung geprägt. Seine Forschung war maßgeblich motiviert durch den Glauben an einen sich in der Natur offenbarenden Gott. Von theologischen Dogmen hat er sich dabei weitgehend gelöst. Er bezeichnete sich selbst als „religiösen Ungläubigen“. Er sagt: „Wissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Wissenschaft blind.“

Was mich mit ihm, den religiösen Ungläubigen, verbindet, ist der staunende Blick in den Kosmos, in die gigantischen Dimensionen des Weltalls und die gewaltige Schönheit dieser Schöpfung, von der wir Menschen nur einen verschwindend kleinen Teil überblicken, ja vielleicht überhaupt in der Lage sind wahrzunehmen.

Es befremdet mich immer wieder, wenn manchmal Wissenschaft und Glaube als Gegensätze wahrgenommen werden. Noch ein anderes Zitat geht mir dann durch den Kopf:
„Der erste Trunk aus dem Becher der Naturwissenschaften macht atheistisch, aber auf dem Grunde des Bechers wartet Gott.“
(Wird oft Werner Heisenberg zugeordnet, die Zuordnung ist aber umstritten.)

Bildquelle: http://www.sun.org

Impuls 17.04.2020 Postscriptum

Postscriptum

Was ich noch sagen wollte
Wenn ich Dir
einen Tip geben darf
Ich meine
Ich bitte Dich
um alles in der Welt
Und wider besseres Wissen:

Halte Dich nicht schadlos
Zieh den kürzeren
Lass Dir etwas entgehn.

(Eva Zeller)

Impuls 16.04.2020 Umkehr

Ein Kriegsschiff befand sich auf offener See. Die See war unruhig und Nebelschwaden erschwerten die Sicht. Kurz nach Anbruch der Dunkelheit meldete der Ausguck: „Licht Steuerbord voraus!“ „Bleibt es stehen, oder bewegt es sich achteraus?!, fragte der Kapitän. Der Ausguck antwortete: „Es bleibt, Kapitän.“ Das Schiff befand sich also auf einem gefährlichen Kollisionskurs mit dem anderen Schiff. Da rief der Kapitän dem Signalgast zu: „Schicken sie dem Schiff ein Signal: Wir sind auf Kollisionskurs, empfehlen 20 Grad Kursänderung.“ Zurück kam das Signal: „Empfehlen ihnen, den Kurs um 20 Grad zu ändern.“ Der Kapitän sagte: „Melden sie: Ich bin ein Kapitän, Kurs um 20 Grad ändern.“ „Ich bin ein Unteroffizier“, lautete die Antwort. „Sie sollten ihren Kurs besser um 20 Grad ändern.“ Inzwischen war der Kapitän ziemlich wütend. Er schimpfte: „Signalisieren sie, dass ich ein Kriegsschiff bin. Er soll den Kurs um 20 Grad ändern.“ Prompt wurde eine Antwort zurück geblinkt: „Ich bin ein Leuchtturm.“ Das Kriegsschiff änderte den Kurs.

… Auf den guten Lebensweg (zurück-)zufinden, ist ein wichtiges Thema der Bibel. Und Umkehr ist Teil der christlichen Existenz: Das alltägliche Hinterfragen, ob mein Denken, Reden und Handeln der Liebe Gottes entspricht, und gegebenen Falls das Korrigieren. Beim Blick auf den anderen sehe ich naturgemäß schnell, wer alles auf Irrwegen ist, oder zu sein scheint. Wer meinen Vorstellungen im Leben und Glauben nicht entspricht, solle doch bitte „umkehren“. Diese kleine Geschichte zeigt aber, wie schwierig das mit dem Aufruf zur Umkehr sein kann, wie sehr meine Perspektive mich trügen kann und wie entscheidend es ist, das eigene Denken kritisch hinterfragen zu lassen.