Impuls 17.04.2020 Postscriptum

Postscriptum

Was ich noch sagen wollte
Wenn ich Dir
einen Tip geben darf
Ich meine
Ich bitte Dich
um alles in der Welt
Und wider besseres Wissen:

Halte Dich nicht schadlos
Zieh den kürzeren
Lass Dir etwas entgehn.

(Eva Zeller)

Impuls 16.04.2020 Umkehr

Ein Kriegsschiff befand sich auf offener See. Die See war unruhig und Nebelschwaden erschwerten die Sicht. Kurz nach Anbruch der Dunkelheit meldete der Ausguck: „Licht Steuerbord voraus!“ „Bleibt es stehen, oder bewegt es sich achteraus?!, fragte der Kapitän. Der Ausguck antwortete: „Es bleibt, Kapitän.“ Das Schiff befand sich also auf einem gefährlichen Kollisionskurs mit dem anderen Schiff. Da rief der Kapitän dem Signalgast zu: „Schicken sie dem Schiff ein Signal: Wir sind auf Kollisionskurs, empfehlen 20 Grad Kursänderung.“ Zurück kam das Signal: „Empfehlen ihnen, den Kurs um 20 Grad zu ändern.“ Der Kapitän sagte: „Melden sie: Ich bin ein Kapitän, Kurs um 20 Grad ändern.“ „Ich bin ein Unteroffizier“, lautete die Antwort. „Sie sollten ihren Kurs besser um 20 Grad ändern.“ Inzwischen war der Kapitän ziemlich wütend. Er schimpfte: „Signalisieren sie, dass ich ein Kriegsschiff bin. Er soll den Kurs um 20 Grad ändern.“ Prompt wurde eine Antwort zurück geblinkt: „Ich bin ein Leuchtturm.“ Das Kriegsschiff änderte den Kurs.

… Auf den guten Lebensweg (zurück-)zufinden, ist ein wichtiges Thema der Bibel. Und Umkehr ist Teil der christlichen Existenz: Das alltägliche Hinterfragen, ob mein Denken, Reden und Handeln der Liebe Gottes entspricht, und gegebenen Falls das Korrigieren. Beim Blick auf den anderen sehe ich naturgemäß schnell, wer alles auf Irrwegen ist, oder zu sein scheint. Wer meinen Vorstellungen im Leben und Glauben nicht entspricht, solle doch bitte „umkehren“. Diese kleine Geschichte zeigt aber, wie schwierig das mit dem Aufruf zur Umkehr sein kann, wie sehr meine Perspektive mich trügen kann und wie entscheidend es ist, das eigene Denken kritisch hinterfragen zu lassen.

Impuls 14.04.2020 – Andacht zu 1. Mose 9, 8-17 von Pfr. Porsch

1. Mose 9, 8-17 (Übersetzung: Hoffnung für Alle)

Dann sagte Gott zu Noah und seinen Söhnen: »Ich schließe einen Bund mit euch und mit allen euren Nachkommen, dazu mit den vielen verschiedenen Tieren, die bei euch in der Arche waren, von den größten bis zu den kleinsten. Und das ist mein Versprechen: Nie wieder werde ich eine so große Flut schicken, um die Erde und alles, was auf ihr lebt, zu vernichten.« Weiter sagte er: »Diesen Bund schließe ich mit euch und allen Bewohnern der Erde, immer und ewig will ich dazu stehen. Der Regenbogen soll ein Zeichen für dieses Versprechen sein. Wenn ich Wolken am Himmel aufziehen lasse und der Regenbogen darin erscheint, dann werde ich an meinen Bund denken, den ich mit Mensch und Tier geschlossen habe: Nie wieder eine so große Flut! Nie wieder soll alles Leben auf diese Weise vernichtet werden! Ja«, sagte Gott, »diese Zusage gilt für alle Zeiten, der Regenbogen ist das Erinnerungszeichen. Wenn er zu sehen ist, werde ich daran denken.«

Hoffnung für alle steckt in diesem Bibeltext. Gott spricht nach der Katastrophe der Sintflut zu den Menschen. Nie wieder, sagt er, nie wieder, will er sich seiner Geschöpfe entledigen. Hier spricht ein Schöpfer, der während der Katastrophe unbeschreiblich gelitten hat – als so viele seine Geschöpfe hinweggerafft wurden, so wenige nur überlebten. Dieser Gott spürt seine Liebe und tiefe Verbundenheit zu seinen Geschöpfen.
Die Historizität der Sintflutereignisse mag fraglich sein. So oder so trägt aber die Geschichte tiefe Wahrheiten in sich. Darunter die menschliche Urerfahrung, zerstörerischen Gewalten gigantischer Ausmaße ausgeliefert zu sein. Heute erinnert uns der Corona-Virus an diese menschliche Urerfahrung. Wir stehen nicht über den Dingen dieser Welt. Schnell begegnen mir darüber hinaus Gedanken, welche die Ereignisse zu deuten versuchen: Das Übel stamme möglicherweise direkt von Gott, oder sei eine Strafe – Und manchmal liefern sie gleich die Gewissheit mit, wofür (oder wegen wem) diese Strafe über uns gekommen ist.
Ich will da sehr vorsichtig sein. Ich glaube nicht, dass die Katastrophen dieser Welt Strafen Gottes sind, auch nicht Corona. Ich glaube nicht, dass Gott so mit uns umgeht. Ich glaube nicht, dass Gott alle in einen Topf schmeißt. Ich weiß nicht, weswegen und wofür Corona ist. Ein Übel ist es, soviel scheint mir klar. Darüber hinaus ist jede deutende, religiöse Aussage dazu auf dünnem Eis menschlicher Erkenntnis gebaut. Ich halte mich an zeitlosen Wahrheit der biblischen Sintflutgeschichte fest, die für mich die Wichtigste des Textes ist: In Gott begegnet mir mein Schöpfer, der mich liebt, der alle Menschen liebt, der Leben bewahren will und der keines seiner Geschöpf dem Verderben preis gibt. Für alle Schrecken dieser Welt gilt: Sie sind nicht endlos, sie sind begrenzt und wir werden sie mit Gottes Hilfe überdauern. Gott möge uns die Kraft und die Liebe geben, dieses Übel gemeinsam zu überwinden. Und nach Regen kommt Sonnenschein, nach Corona kommt Aufatmen und nach dem Tod kommt das Leben. Es tut mir gut, den Regenbogen vor den dunklen Wolken zu sehen.

 

Impuls 11.04.2020 Karsamstag

Der stille Samstag zwischen Karfreitag und Ostersonntag.

An ihm klingen in mir die Gesänge von Taizé.
Hier zwei meditative Gesänge aus Taizé.

 

Französisches Original
Jésus le Christ, lumière intérieure, ne laisse pas mes ténèbres me parler.
Jésus le Christ, lumière intérieure, donnemoi d’accueillir ton amour.

Deutsche Fassung
Christus, dein Licht verklärt unsre Schatten, lasse nicht zu, dass das Dunkel zu uns spricht. Christus, dein Licht erstrahlt auf der Erde und du sagst uns: Auch ihr seid das Licht.

Lateinisches Original
Dona la pace Signore a chi confida in te. Dona, dona la pace Signore, dona la pace.

Deutsche Fassung
Gib Frieden, Herr, dem, der dir vertraut.

Andacht zum Karfreitag 10.04.2020

Leid macht schnell einsam. Wenn der ganze Körper vom eigenen Schmerz überspült wird, geht der Blick auf den anderen verloren. Der Schmerz ersäuft alles. Auch die Corona-Krise birgt die Gefahr, dass jeder nur noch seine eigene Not sieht. Politisch macht sich das bereits stark bemerkbar. 50 Kinder aus den Lagern Griechenlands dürfen dieser Tage nach Deutschland kommen. Ich schäme mich für diese erbärmlich geringe Zahl. Als ob uns, ein 80 Millionen-Volk, 50 Kinder schon an die Grenze des Machbaren bringen würden… So viel Not geht in der Sorge um Corona unter. So viel Leid bleibt unbeachtet.
Karfreitag – das heißt, den Tod und das Elend nicht wegzureden und wegzuschieben, sondern in den Blick zu nehmen und (mit) zu erleiden. Selig ist der, der noch in seinen Schmerz am Kreuz die Menschen um sich in den Blick zu nehmen vermag.

Ihr Pfarrer Friedrich Porsch

Anbei eine Karfreitag-Andacht und ein Gruß von Pfarrer Tobias Weisflog aus Königsbrück

Impuls 09.04.2020 Gründonnerstag

Ein Pfarrer erzählt:
Im Studio Birmingham der British Broadcasting Corporation (BBC) gibt es eine wöchentliche einstündige kirchliche Sendung, die „Morning call“ (zu Deutsch: „Rufen Sie doch mal an!“) heißt und direkt ausgestrahlt wird. Zwei oder drei Pfarrer sitzen im Studio und schlagen kurz das Thema des Morgens an.
An einem Morgen war ich dabei, als ich mich einige Zeit als deutscher Auslandspfarrer in Birmingham aufhielt. Das Thema hieß „beten“. Kaum war das Stichwort gefallen, hatten die Hörer das Wort: Die Anrufe werden unmittelbar auf Sendung geschaltet. Es bot sich die ganze Palette unterschiedlichster Reaktionen zum Thema „beten“: mal einverständlich, mal überrascht oder ratlos, aber auch zynisch. Doch plötzlich drohte der Sendung die Luft auszugehen: „Ich bin Alice“, machte sich eine Anruferin mit schweren Atemzügen mühsam verständlich, „39 Jahre alt, verheiratet, drei Kinder; ich habe Krebs und weiß, dass ich bald sterben werde. Ich frage Sie um Gottes willen, was soll mir ein Gebet noch nützen? Bitte speisen Sie mich jetzt nicht mit einem goldenen Spruch ab.“ Nach diesen Sätzen sah man im Studio Folgendes: Die drei Geistlichen im Live-Aquarium, also hinter der Trennscheibe zwischen Aufnahme und Technik, erstarrten zu Salzsäulen; aber davor drängte sich in Sekundenschnelle alles an die Glasscheibe, das bis dahin nur routiniert eine Sendung ‚gefahren’ hatte: Techniker, Redakteure, zufällig Anwesende: was nun? Der anglikanische Propst von Birmingham, der die Sendung moderierte, starrte aus dem Fenster, hinter dem die Sonne in lebhaften Farben spielte. Dann fasste er die erschütterte und neugierige Versammlung hinter dem Studioglas ins Auge, die zu signalisieren schien: Not kennt kein Gebet. Todesangst wird kalt gegessen. Die Sekunden fielen wie Steine, nur vor dem Fenster tanzten Sonne und Farben, Schatten und Blätter ungerührt, ein Ballett der Lebensfreude. Da sagte der Propst: „Alice, als Jesus im Garten von Gethsemane seinen göttlichen Vater händeringend anflehte, ihm den furchtbaren Tod am Kreuz zu ersparen, da blieb der Himmel stumm.“ Durch die Zuschauer ging ein Ruck, damit hatten sie nicht gerechnet. Der Propst, der das beobachtete, zuckte mit keiner Wimper: „Aber das Schlimmste, Alice, war, dass nicht nur der Himmel stumm blieb. Auch seine besten Freunde waren verstummt: Er hatte sie mitgenommen, um mit ihnen gemeinsam die Last der letzten Stunden zu tragen. Aber sie waren einfach eingeschlafen und hatten sich von seinen Tränen distanziert.“ Jetzt bohrte sich der Blick des Propstes förmlich in die Versammlung hinter der Scheibe: „Ich sehe jetzt hier keinen Einzigen schlafen, obwohl sie dir alle fremd sind; sie sind alle außer sich und bei dir. Um diesen Augenblick hätte dich Jesus in Gethsemane beneidet.“ Der Propst faltete die Hände, und obwohl ihm das niemand nachmachte, veränderte doch jeder im Studio seine Haltung; man sah keine einzige Hand mehr in der Tasche oder an einer Zigarette: Die Konzentration im Studio nahm sich aus wie ein Gottesdienst. Niemand überhörte die Todesangst von Alice. Sie ließ eine lange Pause, bis sie sagte: „Ich danke euch“ – und auflegte. Wie viel Hörer mochten in diesem Augenblick mit Alice gewacht haben? Und wenn auch die meisten von ihnen das Beten verlernt haben, an diesem Morgen in Birmingham wogen sie schwerer als die Jünger Jesu in der Nacht von Gethsemane. Vielleicht war es für Alice ein Zeichen des Himmels.
(Siegfried Muntz)

Aus: Siegfried Munz: Sie hören die Morgenandacht … Geschichten aus der Bibel, respektlos nacherzählt, © Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg 1982.)