Impuls 16.05.2020 Wer weiß, was dann mit einem geschieht…

Und dann passierte mir etwas Komisches. Es ist eine lange Geschichte, im Wesentlichen aber verliebte ich mich in die Vögel. Ich wehrte mich mächtig dagegen, denn Vögel zu beobachten ist uncool, weil alles, was wahre Leidenschaft verrät, per definitionem uncool ist. Stück für Stück jedoch, wider mich selbst, entwickelte ich diese Leidenschaft, und auch wenn die Hälfte einer Passion Obsession ist – die andere Hälfte ist Liebe. Und so, ja, führte ich eine pingelige Liste der Vögel, die ich gesehen hatte, und, ja, unternahm alles Erdenkliche, um weitere Arten zu sehen. Doch, und das ist nicht weniger wichtig, wann immer ich einen Vogel sah, irgendeinen Vogel, selbst eine Taube oder Rotkehlchen, spürte ich mein Herz vor Liebe überfließen. Und wie ich heute zu erklären versucht habe: Mit der Liebe fangen die Probleme an. Denn nun, da mir die Natur nicht bloß gefiel, sondern ich einen konkreten und lebendigen Teil von ihr liebte, konnte ich gar nicht anders, als mich erneut um die Umwelt zu sorgen. (…)
Wenn man in seinem Zimmer bleibt und tobt oder spottet oder die Achseln zuckt, wie ich es viele Jahre lang getan habe, sind die Welt und ihre Probleme entmutigend. Wenn man aber rausgeht und sich in eine wirkliche Beziehung zu wirklichen Menschen oder auch nur wirklichen Tieren setzt, besteht die sehr reale Gefahr, einige von ihnen zu lieben. Und wer weiß, was dann mit einem geschieht?

Jonathan Franzen

Impuls 15.05.2020 Guernica

Papblo Picasso hat mit Guernica ein Werk geschaffen, das sich durch seine drastische Symbolik und Botschaft, sowie seine Intensität als Anklage gegen Krieg und Gewalt aufdrängt. Es gilt als kubistisches Meisterwerk. Guernica entstand als Reaktion auf die Schrecken des Spanischen Bürgerkriegs, und da es in dem Gemälde keinen ausdrücklichen Bezug auf die baskische Stadt Guernica gibt,  wird die Botschaft, die sich auf Reisen begibt, universell und zeitlos. Zu sehen ist das Werk im Museo Reina Sofia in Madrid.

 

Guernica - Pablo Picasso, 1937 Öl auf Leinwand 349 × 777 cm

Impuls 14.05.2020 Dankbarkeit

Dankbarkeit verändert

Überlege Dir mindestens fünf Dinge,
die Du an Deinen Eltern gut findest
oder wofür Du Ihnen dankbar bist.
Notiere sie auf ein Kärtchen.
Das Kärtchen kannst Du an einem geeigneten Ort aufhängen,
oder Deinen Eltern auf das Kopfkissen legen.

»Ehre deinen Vater und deine Mutter«,
das ist das erste Gebot, das eine Verheißung hat:
»auf dass dir’s wohlgehe und du lange lebest auf Erden«.

Epheser 6,2

Impuls 12.05.2020 Glückwünsche

Glückwünsche

Dass du dir glückst
Dass dir das Glück anderer glücke
Dass durch dich
ein oder zwei Menschen
besser sich glücken
Dass das Glück dich nicht blende
für das Unglück anderer
Dass du dir glückst
auch im Unglück
Dass eine Welt werde,
wo zusammen mit dir
viele sich glücken können.

Kurt Martin

Impulse 11.05.2020 Gemeinschaft der Suchenden

Manchmal empfinde ich es als befremdlich, mitunter verletztend, wenn ich Menschen erlebe, die mich von einer Wahrheit überzeugen wollen, die sie sicher erkannt zu haben meinen und an denen kein Zweifel zugelassen ist – insbesondere, wenn es um Fragen des Glaubens geht. Da sind mir dann die Worte des Theologen Jürgen Moltmann sehr nahe:

„Für die Zukunft der Theologie kann man keine Gemeinschaft in der Antwort, die man selber gibt, suchen, sondern immer nur eine Gemeinschaft in den offenen, unbeantworteten Fragen. Der Positionalismus, der sich selbst rechtfertigen und andere überzeugen will, ist eine Verhinderung der Weggemeinschaft.“
Jürgen Moltmann, Diskussion über die Theologie der Hoffnung

Impuls 08.05.2020

Nach der Zerstörung der Kathedrale von Coventry (Großbritannien) am 14./15. November 1940 durch deutsche Bombenangriffe ließ der damalige Dompropst Richard Howard die Worte „Vater vergib“ in die Chorwand der Ruine meißeln. 

Diese Worte bestimmen das Versöhnungsgebet von Coventry, das die Aufgabe der Versöhnung in der weltweiten Christenheit umschreibt. Das Gebet wurde 1958 formuliert und wird seitdem an jedem Freitagmittag um 12 Uhr im Chorraum der Ruine der alten Kathedrale in Coventry und in vielen Nagelkreuzzentren der Welt gebetet.

Alle haben gesündigt und ermangeln des Ruhmes,
den sie bei Gott haben sollten. (Römer 3, 23)

Den Hass, der Rasse von Rasse trennt, Volk von Volk, Klasse von Klasse,
Vater, vergib.
Das Streben der Menschen und Völker zu besitzen, was nicht ihr Eigen ist,
Vater, vergib.
Die Besitzgier, die die Arbeit der Menschen ausnutzt und die Erde verwüstet,
Vater, vergib.
Unseren Neid auf das Wohlergehen und Glück der Anderen,
Vater, vergib.
Unsere mangelnde Teilnahme an der Not der Gefangenen, Heimatlosen und Flüchtlinge,
Vater, vergib.
Die Gier, die Frauen, Männer und Kinder entwürdigt und an Leib und Seele missbraucht,
Vater, vergib.
Den Hochmut, der uns verleitet, auf uns selbst zu vertrauen und nicht auf Gott,
Vater, vergib.
Seid untereinander freundlich, herzlich und vergebet einer dem anderen,
wie Gott euch vergeben hat in Jesus Christus. (Epheser 4, 32)

Nagelkreuzgemeinschaft in Deutschland e. V.
www.nagelkreuz.org

Impuls 07.05.2020 Die Größe eines Menschen

Die Grösse eines Menschen hängt einzig und allein von der Stärke des Gottesverhältnisses in ihm ab.

 
 
Søren Kierkegaard (1813-1855),
dänischer Philosoph, Essayist, Theologe und religiöser Schriftsteller

Impuls 06.05.2020 Ein festlicher Augenblick

„Es ist eigentlich seltsam: Unser Leben besteht in einem ständigen Reden. Aber kaum je kommen die Gedanken über unsere Lippen, um die es sich wirklich lohnt. Kaum je geschieht es, dass einer sagt: Lass uns von dem reden, was mit unserem Menschenschicksal auf dieser Erde wirklich gemeint ist, was das ist, was wir Gott nennen! Was wir selbst von uns für ein Bild haben. Wofür wir wirklich dankbar sind. Was wir wahrhaft lieben. Was der Grund ist, auf dem wir stehen, abgesehen von allem, was uns misslingt und was uns danebengeht. Was das Wichtigste ist zwischen uns. Es sind die wunderseltenen Augenblicke.
Aber im Grunde sind dies die eigentlichen Lichtpunkte in unserer Lebenszeit. Die festlichen Augenblicke. Die Augenblicke, um die es sich lohnt, dass sie gelebt werden. Und sie sind wichtig und schön, auch wenn dabei eine tiefe Traurigkeit nach oben kommen sollte, eine zitternde Angst oder eine lähmende Ratlosigkeit. Sie sind die Augenblicke, in denen zwischen Menschen wirklich etwas geschieht.
Wenn aber jemand anfängt, beim Namen zu nennen, was für ihn wichtig ist, dann spricht man unter Christen von einem Bekenntnis. Wenn jemand die Türen und Fenster seiner Seele aufstößt und den Augen eines anderen zu sehen erlaubt, was wirklich in ihm ist, hinter allen Masken und Fassaden, dann spricht man unter Christen davon, er „offenbare“ sich. Unter Christen gelten solche Bekenntnisse und Offenbarungen als lebensnotwendig. Sie können ein Zeichen dafür sein, dass ein Mensch mit sich selbst ins Reine kommen will, mit den anderen und mit dem Dasein, in dem er steht.
Und so gehört es auch zu den festlichen Augenblicken, wenn in einem Gottesdienst eine versammelte Gemeinde aufsteht und gemeinsam aussagt, wovon sie lebt, was sie glaubt, worauf sie hofft, wofür sie dankt und was sie zu tun gedenkt.

(Jörg Zink, 1922-2016, deutscher evangelischer Theologe, Pfarrer und Publizist)